Beziehungsfähigkeit ist eine der grundlegenden Fähigkeiten, die jedem Menschen innewohnt. Sie stellt unser Überleben als Menschheit sicher.
Beziehungsfähigkeit oder auch soziale Kompetenz äußert sich ganz praktisch durch spezielle Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen können wir nur dann zeigen, wenn ein spezieller Zweig des autonomen Nervensystems, der sogenannte ventrale Vagus, der die entsprechenden Muskelgruppen steuert, die wir zum Ausdruck eines Beziehungsverhaltens benötigen, aktiv ist und funktioniert. Dann können wir unseren Blick heben und einem anderen Menschen warm und offen in die Augen schauen, können uns durch den Blick dieses Menschen im Inneren berühren lassen ohne diesen ängstlich abwehren zu müssen oder den anderen durch starres Fokussieren des Blickes kontrollieren zu wollen. Wir sind dann auch in der Lage anderen Menschen zu zuhören und können die menschliche Stimme leicht aus einer Vielzahl von Umgebungsgeräuschen herausfiltern und darauf reagieren. Wir können unseren Kopf und Brustbereich jemandem zuwenden und haben eine warme, modellierbare, von Herzen kommende Stimme. Die Stimmbänder können leicht die verschiedensten Frequenzen ausdrücken. Wir sind in der Lage auf andere Menschen zu zugehen und können um Hilfe bitten und Hilfe geben, wenn sie gebraucht wird. Der Körper ist aufgerichtet, weich und offen, Aufnahmebereit für Sinneseindrücke. Er kann mit der emotionalen Erregung mitschwingen und pulsieren, wie die Saiten eines gut gestimmten Instrumentes, wenn sie angeschlagen werden. Wir sind zugewandt, mitfühlend und fürsorglich uns selbst unseren Nächsten und Mitmenschen gegenüber und haben Vertrauen, das wir von anderen um unserer selbst willen geliebt und akzeptiert werden, so wie wir sind.
Wenn Traumata im Beziehungsbereich (frühkindliche Bindungstraumata, Vernachlässigung oder Gewalt) erfahren wurden, von denen noch eine Restspannung als traumatische Ladung in unserem Körper vorhanden ist oder wir Erfahrungen von hochgradigem Stress ausgesetzt sind, können Beziehungen selbst als unsicher erlebt werden. Wenn das der Fall ist, wird der so wichtige ventrale Vagusnerv in Beziehungssituationen einfach abgeschaltet. Er wird deaktiviert , weil das Körpersystem die Erfahrung gemacht hat, das die damit verbundenen Verhaltensmuster nicht zu einer erfolgreichen Abwendung einer existentiellen Bedrohung geführt haben und es daher klüger ist auf ältere Strategien zum Schutz des eigenen Systems zurückzugreifen. Diese älteren Strategien werden vom Sympathikus, einem anderen Zweig des autonomen Nervensystems aktiviert. Durch den Sympathikus erfolgt eine starke Aktivierung des Systems, einhergehend mit erhöhter geistiger Wachsamkeit – möglichst alles im Blick haben und zielgerichtet Handeln – und einer vermehrten Muskelanspannung in Armen und Beinen, um Kampf oder Fluchtverhalten zu ermöglichen. In Beziehungen erfahren wir uns dann eher als praktisch, tatkräftig, handlungsorientiert. Haben feste Vorstellungen davon, wie der andere zu sein und sich zu verhalten hat. Brauchen in der Beziehung Standpunkte und Regeln, die Struktur, Ordnung und Sicherheit geben. Wir wollen wissen, wer der andere ist, mit dem wir es zu tun haben und wie wir uns auf ihn zu beziehen haben. Wer dominiert und wer ordnet sich unter? Unser Verhalten kann kontrollierend oder überkritisch sein. Wir können „schnell aus der Haut fahren“, wütend werden und unangemessen reagieren oder auch dazu neigen vorschnell Kontakte abzubrechen sich abzuwenden oder sich zu trennen. Unsere Kommunikationsfähigkeit kann durch ein Trauma oder Dauerstress eingeschränkt sein, da die linke Hirnhälfte, in der sich das Sprachzentrum befindet, deutlich weniger durchblutet wird. Konflikte können nur schwer im Dialog gelöst werden, sondern werden vorübergehend durch Wutausbrüche, Kontrolle oder Weglaufen beseitigt. Der Wunsch nach Kontakt kann vielleicht in einer verzerrten Weise, in Form von Begegnung durch Wortgefecht, Drama oder aggressiven Sex ausgelebt werden. Es finden häufig Auseinander-setzungen, Konflikte und Reibungen zwischen Partnern und mit anderen Menschen statt.
Grundsätzlich können wir feststellen, dass ein Mensch der unter großer Stressbelastung lebt nicht an sein Beziehungspotential angeschlossen ist. Beziehungsleben braucht die Erfahrung von Sicherheit, Geborgenheit, Zeit, Ruhe und Gelassenheit. Es braucht ein grundlegendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in das Wohlwollen anderer Menschen, die Akzeptanz eines Entwicklungsweges als Mensch und der damit verbundenen Wahrscheinlichkeit Fehler zu machen, ein Vertrauen ins Leben und in die Möglichkeit sich selbst wirksam einbringen zu können.
Traumatischer Stress und Belastungen können sich besonders gut in in Gruppenerfahrungen auflösen. Techniken wie TRE, die einen Zugang zu autonomen, uralten Regulationsmechanismen unseres Gehirns ermöglichen können zwar auch alleine im Alltag durchgeführt werden, sie wirken jedoch umso intensiver, wenn die Erfahrung in einer Gruppe gleichgesinnter gemacht wird. In einem vertrauensvollen Rahmen kann tiefe Heilung und Selbstannahme geschehen.
Bei Interesse an einem TRE Einführungskurs oder Wochenende, bitte die Termine erfragen.